Klangbeispiel:
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MVB 12: „The Division Flute“, Teil 2

In England hielt sich die Technik des Division-Playing bis ins 18. Jahrhundert als typisch englische Musiktradition. „Division“ bedeutet vom Wort her „Teilung“, nämlich die Teilung bzw. Auflösung eines Themas in kleinere Notenwerte in einer Kette von Variationen (a set of divisions) über einen ostinaten, also immer wieder kehrenden Bass, dem „Ground Bass“ oder „Ground“.

Urtextausgabe der schönsten Divisions mit Basso continuo aus der Sammlung „The Division Flute“, Teil 2, London 1708 ? Dabei sind so bekannte Divisions wie „An Italian Ground“ u.a. Das Vorwort enthält eine Abhandlung über die (Musik-)Geschichte Englands vom 16. bis 18. Jahrhundert.

Wie im Original ist die Flötenstimme teilweise solistisch geführt, teilweise mit einem „Ground Bass“ unterlegt. Die Aussetzung des Basses hat mit melodischen Linien statt vollgriffigen Akkorden eine eigene musikalische Aussage und ist bewusst technisch einfach gehalten.
Ausgaben mit englischen Divisions:
MVB 11: „The Division Flute“, Teil 1
MVB 12: „The Division Flute“, Teil 2
MVB 13: „Excellent Divisions“
MVB 90: „Englische Divisions“, Duette für zwei Altblockflöten
Inhalt „The Division Flute“, Teil 2:

1. An Italian Ground
2. A Division on a Ground (1)
3. A Division on a Ground (2)
4. A Chacone
5. Chacone by Mr Morgan
6. Prelude by Mr D Purcell
7. Cibell by Mr Clark
8. Cibell by Mr King
9. Cibell by Mr O
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Vorwort

England vom 16. bis zum frühen 18. Jahrhundert
Haus Tudor
Heinrich VII (1485-1509)
Heinrich VIII (1509-1547)
Eduard VI (1547-1553)
Maria I (1553-1558)
Elisabeth I (1558-1603)
Haus Stuart
Jakob I (1603-1625)
Karl I (1625-1649)
Commenwealth (1649-1660)
Protektorat Cromwell (1653-1659)
Karl II (1660-1685)
England, Anfang des 16. Jahrhunderts: Heinrich VIII aus dem Hause Tudor hatte gerade mit dem Papst gebrochen; es entstand die anglikanische Kirche, eine reformierte Staatskirche, deren Haupt der König war. Unter Eduard VI wurde dann mit dem „Common Prayer Book“, dem allgemeinen Gebetbuch, die eigentliche protestantische Reformation eingeführt. Zwar versuchte die folgende Königin Maria I, die „katholische“, den Katholizismus wiederherzustellen, doch gelang ihr dies in den fünf Jahren ihrer Regierung nicht. Ihre Halbschwester Elisabeth I bekräftigte daraufhin die anglikanische Kirche mit Gewalt. Ihre Nebenbuhlerin, die katholische Maria Stuart ließ sie hinrichten.

Seit dem Sieg über die spanische Flotte, der „Armada“, im Jahre 1588 unter Königin Elisabeth nahm der englische Handel großen Aufschwung. Durch den Kontakt zum Festland erblühte zugleich das kulturelle und das Geistesleben im späten 16. Jahrhundert, im sog. Elisabethanischen Zeitalter (z.B. Shakespeare, 1564-1616). Die englische Musik erlebte mit Thomas Morley, William Byrd, Orlando Gibbons u.a. einen Höhepunkt.

Nach dem Tod der kinderlosen Elisabeth I trat der schottische König Jakob I, der Sohn Maria Stuarts, die Thronfolge an. Mit ihm begann die Herrschaft des Hauses Stuart. Jakob I und danach noch mehr Karl I strebten eine kirchliche Versöhnung mit Rom an, wurden aber ihrerseits von den calvinistischen Puritanern bekämpft. Die Puritaner hatten als Ideal strenge Selbstzucht, eine Beherrschung des Trieblebens, Zügelung des Genusses, u.a. das Verbot jeglicher Theater- und Schauspielaufführungen. Es brach ein Bürgerkrieg zwischen Krone und puritanischer Parlamentspartei aus, in dem die Puritaner 1644/45 siegten. Doch ihrer Hauptgruppe, den Presbyterianern, traten nun die Independenten als Anhänger der freien Gemeindekirchen entgegen, gestützt auf das von Oliver Cromwell geführte Parlamentsheer. Cromwell schloss kurzerhand die Presbyterianer aus dem Parlament aus, ließ König Karl I hinrichten und machte England unter Vermeidung des Wortes Republik zum „Commonwealth“ (allgemeines Wohl) - allerdings als eine Militärdiktatur. Als Protektor folgte ihm sein schwächlicher Sohn Richard, der aber schon ein Jahr später, 1659 abdankte.

So ließen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die religiösen und politischen Wirren aber auch das Wirken der Puritaner das kulturelle Leben Englands erlahmen. Die Lebensbejahung der Elisabethanischen Epoche wurde von einer weltmüden Melancholie abgelöst, wie sie und in den Ayres von John Dowland beispielhaft entgegentönt.

Als Nachfolger Richard Cromwells holte das Parlament Karl II, den 30jährigen Sohn des durch Oliver Cromwell hingerichteten Karl I, aus seinem französischen Exil bei seinem Vetter Ludwig XIV, dem „Sonnenkönig“. Mit der Wiederkehr der Stuarts, der sog. Restauration, öffnete England seine kulturellen Pforten zum Kontinent. Denn Karls Erlebnisse am Versailler Hof hatten nicht nur die gesellschaftspolitischen, sondern auch die sittlichen und kulturellen Vorstellungen des neuen, lebenslustigen und wohl recht sinnlich veranlagten Königs geprägt. In Paris hatten ihm die großangelegten musikalisch-szenischen Darbietungen Jean-Baptiste Lullys nachhaltig imponiert, und er versuchte schon bald, solche Unterhaltungsformen auch am englischen Hof einzuführen. Erstklassige Musiker und Komponisten wurden zu diesem Zweck in den königlichen Dienst berufen: u.a. Henry Cooke, John Blow, Matthew Locke, Pelham Humfrey und - etwas später - Henry Purcell.

Pelham Humfrey wurde gar im Auftrag seiner Majestät zu musikalischen Studien nach Frankreich und Italien geschickt und prägte nach seiner Rückkehr den gesamten höfischen Musikstil, insbesondere aber auch die Musik seines Meisterschülers Henry Purcell (1659-1695). Die Kompositionen Purcells bildeten in den wenigen Jahren seines Schaffens einen Höhepunkt der frühen englischen Musik. Es gelang ihm dabei, in seinen Werken den französischen Stil und den venezianischen Einfluss in national-englischer Umprägung zu vereinen. „Unser Purcell war die Wonne der Nation und ein Wunder für die ganze Welt. Aber er wurde uns vorzeitig entrissen und unserem Fortschritt somit ein jähes Ende gesetzt“ klagt der bekannte Autor Joseph Addinson 1711.

In der Tat gipfelt in Purcell die englische Musik, gleichwohl endet sie mit ihm. Das nun aufblühende Musikleben Englands, das vom König gefördert und von den Musikern mitgetragen wurde, ist ein internationales. 1713 konstatierte der Hamburger Kapellmeister und Autor Johann Mattheson: „Wer heute mit Musik Geld verdienen möchte, geht nach London.“ Und Komponisten vom Festland wie Händel, Finger, Loeillet, Pepusch u.v.a. kamen und schrieben die Musik Englands, jedoch keine englische Musik. „Unsere eigene Musik ist gänzlich entwurzelt, und es wächst nichts Neues an ihrer Stelle“ beschrieb Joseph Addinson die Situation der englischen Kunstmusik.

So hatte sich in England die höfische Musik seit Karl II mit den internationalen Einflüssen verwoben. Als typisch englische Musiktradition hielt sich jedoch die Technik des Division-Playing bis ins 18. Jahrhundert. Sie war den Berufsmusikern Übung für die Kunst der Verzierung, den Dilettanten lebendige Spielmusik des Alltags.
„Division“ bedeutet vom Wort her „Teilung“, nämlich Teilung bzw. Auflösung eines Themas in kleinere Notenwerte in einer Kette von Variationen (a set of divisions) über einen ostinaten, also immer wieder kehrenden Bass, dem „Ground Bass“ oder „Ground“.

Neben Einzelausgaben finden wir Sammlungen von Divisions in England vom späten 16. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts für verschiedene Instrumente. „Sets of Divisions“ für Viola da Gamba schrieben z.B. D. Norcombe (*1576) oder Chr. Simpson in seiner Sammlung „The Division Violist“ (1659). Um 1680 erschien J. Playfords Sammlung „The Division Violin“, von der jedoch nur die zweite Auflage (1685) erhalten ist. Diese Sammlung gab der Londoner Verleger J. Walsh in zwei Teilen 1706 und 1708 (?) als „The Division Flute“ für die damals bei den Dilettanten (im positiven Sinn) beliebten Blockflöte heraus. Unter „Flute“ ist dabei die „common flute“, unsere heutige Altblockflöte in f’ zu verstehen. Walsh übertrug die Divisions in Tonarten, die auf der Blockflöte gut liegen, fügte einige Solostücke an, ließ dagegen virtuose Bravourstücke der Geige fort. So entstand eine Sammlung unterschiedlicher Stilrichtungen: überlieferte englische Themen finden sich ebenso wie bereits Themen französischer oder italienischer Ausprägung.

Die Divisions der vorliegenden Ausgabe geben den Originaltext der erwähnten Ausgabe von „The Division Flute“ (Second Part, 1708 ?) wieder. Dabei wurden der Notentext einschließlich der Angaben der Taktarten, der Artikulationen und Balkensetzungen sowie die Titel genau übernommen. Zusätze des Herausgebers stehen über den Noten, offensichtliche Schreibfehler in der Vorlage sind an den unten aufgeführten Stellen berichtigt. Der im Original nur einmal zitierte „Ground“ wurde der besseren Lesbarkeit wegen auch in den Einzelstimmen für Blockflöte und Bass (z.B. Violoncello) unter sämtliche Variationen der Melodiestimme gesetzt. Ferner wurden die Variationen und die Takte nummeriert.

Der Ursprung der Divisions liegt in der Improvisation. Daher darf mit den gedruckten Noten frei umgegangen werden, Variationen können weggelassen, neue hinzugefügt werden. Ebenso empfiehlt sich oft eine (vor allem rhythmische) Auflockerung des Basses. Um dem Spieler aber nicht unsere Ideen zu suggerieren, haben wir - wie bei der Melodiestimme - auch beim Bass darauf verzichtet, Veränderungen des Originals vorzunehmen.

Die Aussetzung des Basses (für Cembalo, Klavier o.a.) ist als Vorschlag des Herausgebers zu verstehen. Dabei wurde der Entstehung einer neuen Melodie bzw. Gegenmelodie zur Flötenstimme gegenüber einer rein akkordmäßigen Aussetzung den Vorzug gegeben, wodurch der Basso continuo schon für sich meist eine sinnvolle musikalische Aussage erhält.
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